Jedermann
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Hugo von Hofmannsthal (1874 - 1929)
Jedermann
Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes
Wiederaufnahme
„Verlange nie zu wissen, wem die Stunde schlägt; sie schlägt dir selbst.“ - John Donne
Das Leben ist schön. Und Jedermanns Leben ist besonders schön. Seine Geschäfte laufen gut. Er ist unglaublich reich. Er besitzt das schönste Haus der Stadt, seine zahllosen Bediensteten erfüllen jeden seiner Wünsche, und um seine Kunstsammlung beneiden ihn die wichtigsten Museen der Welt. Er ist nie allein und ein großzügiger Gastgeber von legendären Festen. Und er ist verliebt. Er und die Buhlschaft scheinen bereit für die nächste Phase ihrer Beziehung, die zu etwas Dauerhaftem werden könnte. Doch genau in diesem Moment, „mitten drin im besten Leben“, am Höhepunkt des gesellschaftlichen Ereignisses des Jahres, erscheint der Tod. Er will Jedermann holen. Niemanden sonst. Nur ihn. Ganz allein.
Diese plötzliche Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit ist für Jedermann kaum zu fassen, geschweige denn zu verstehen oder zu akzeptieren. Die Reichtümer, die er angehäuft hat, sind ihm in diesem Moment keine Hilfe. Und das Wissen, dass der Tod auch andere holen wird – und früher oder später zu allen kommen wird –, ist ihm kein Trost. Zunächst sieht er das Erscheinen des Todes als ein Hindernis an, das es wie so vieles in seinem beruflichen und privaten Leben zu überwinden gilt: ein Problem, das sich mittels Verhandlungen, Charme, Beziehungen, gegebenenfalls durch die schlichte Weigerung, ein Nein zu akzeptieren, oder ganz schnöde mit Geld lösen lässt. Erst als diese Bemühungen gescheitert sind und alle, die gerade noch auf seine Kosten geschlemmt und Champagner getrunken haben, ihn im Stich lassen, beginnt Jedermann zu begreifen, dass sein Leben tatsächlich vorbei ist.
Darauf ist Jedermann nicht vorbereitet. Vielleicht zum allerersten Mal kann er sein Leben nicht aus einer materiellen Perspektive betrachten, und ihm gehen viele, zum Teil auch widersprüchliche Gedanken und Gefühle durch den Sinn. Dahinter lauern Fragen, wie sie sich vor ihm schon so viele andere Menschen am Ende ihres Lebens gestellt haben: Wie hätte ich das verhindern können? Habe ich auch Gutes bewirkt? Warum war ich so sehr auf das Hier und Jetzt fixiert? Warum habe ich so viele wichtige Dinge übersehen? Warum habe ich nicht anders gehandelt? Was bedeutet das alles? Und: Kann ich wirklich nichts tun, um Wiedergutmachung zu leisten?
Hugo von Hofmannsthal knüpft mit seinem Stück an mittelalterliche Moralitäten an, die schon viele Jahrhunderte alt waren, als er sie zur Hand nahm. Seine Version ist zwar verankert im christlichen Glauben, wie er selbst ihn praktizierte, doch in einem Essay, den er – kurz nach Fertigstellung des Stücks – 1912 schrieb, betonte Hofmannsthal, das Thema sei zeitlos und „nicht einmal mit dem christlichen Dogma unlöslich verbunden“. Auch wenn er ausdrücklich vom Tod eines reichen Mannes erzählte, ging es Hofmannsthal immer um die Allgemeingültigkeit des Stoffs.
Hofmannsthals Jedermann ist ein fester Bestandteil im Programm der Salzburger Festspiele seit ihrer Gründung im Jahr 1920. Neben dem nach wie vor aktuellen Thema ist ein weiterer wichtiger Grund für die anhaltende Beliebtheit die überaus charakteristische Sprache, die der Autor über mehrere Jahre hinweg entwickelt hat. Die Verse des Dramas bemühen sich bewusst um eine altertümliche Patina, haben aber gleichzeitig eine lebendige, vorwärtstreibende Energie. Die unregelmäßigen Versrhythmen und Reimschemata geben den Dialogen Halt und Kraft, ohne sie jemals vorhersehbar werden zu lassen. Es ist eine Sprache, die man genießen kann und die immer wieder überrascht.
Eine Aufführung des Jedermann auf dem Domplatz (oder bei Schlechtwetter im Großen Festspielhaus) ist mehr als ein gewöhnlicher Theaterabend: Man nimmt an einem Ritual teil, das seit mehr als einem Jahrhundert Bestand hat, und setzt sich mit Gedanken und Emotionen auseinander, die schon viele Generationen vor uns beschäftigt haben. Denn ob es uns gefällt oder nicht: Letztlich gehen sie uns alle an.
Die Inszenierung von Robert Carsen knüpft an diese Tradition an und erschafft eine lebendige, zeitgenössische Welt, deren opulente Details und ausladende Dimensionen Hofmannsthals Kritik an materialistischen Werten unterstreicht und seiner Forderung nach einer tiefen spirituellen Reflexion Nachdruck verleiht. Seine hochgelobte Interpretation mit Philipp Hochmair in der Titelrolle kehrt nun zum dritten Mal zurück.
David Tushingham · Übersetzung: Eva Reisinger
Programm und Besetzung
Besetzung
Dominik Dos-Reis: Tod
Philipp Hochmair: Jedermann
Daniela Ziegler: Jedermanns Mutter
Christoph Luser: Jedermanns guter Gesell / Teufel
Jannik Görger: Der Hausvogt
Susanne Wende: Der Koch
Sylvie Rohrer: Ein armer Nachbar / Werke
Arthur Klemt: Ein Schuldknecht
Nicole Beutler: Des Schuldknechts Weib
Roxane Duran: Buhlschaft
Lukas Vogelsang: Dicker Vetter
Daniel Lommatzsch: Dünner Vetter
Kristof Van Boven: Mammon
Juliette Larat: Glaube
Ensemble
Ensemble 013
Leading Team
Robert Carsen: Regie / Bühne / Licht
Luis F. Carvalho: Bühne / Kostüme
Giuseppe Di Iorio: Licht
Rebecca Howell: Choreografie
David Tushingham: Dramaturgie
Domplatz

SALZBURGER FESTSPIELBEZIRK
Das Große Festspielhaus, das Mozart Haus und die Felsenreitschule bilden zusammen mit dem 200 Meter entfernt gelegenen Domplatz und der Kollegienkirche den Festspielbezirk. 1606/07 ließ Erzbischof Wolf Dietrich hier Stallungen erbauen, die 1662 um eine Winterreitschule erweitert wurden. Im 19. Jahrhundert diente der Komplex als Kavalleriekaserne, ehe er ab 1925 schrittweise den Salzburger Festspielen geöffnet wurde.
„Ich sehe [Alexander] Moissi [den ersten Jedermann] schon vor dem Dom knien“, soll Max Reinhardt gesagt haben, als Hugo von Hofmannsthal ihn ermahnte, die Finanzierung der Aufführungen zu bedenken. Doch Reinhardt blieb zuversichtlich: „Irgendwie wird sich das Geld schon finden, das ist Nebensache. Ich denke jetzt vor allem an die Schätze, die wir bereits besitzen: Eine großartige Dichtung, einen Schauplatz, wie er auf der Welt nicht noch einmal zu finden ist.“
Der zwischen 1614 und 1628 nach Plänen von Santino Solari errichtete Salzburger Dom, die größte frühbarocke Kirche nördlich der Alpen und gleichzeitig die älteste Bischofskirche des heutigen Österreich, bildet einen eindrucksvollen theatralischen Hintergrund für die Moralität nach mittelalterlichem Vorbild: Keine Kulisse kann die überwältigende Wirkung der mächtigen Doppelturmfassade aus weißem Marmor mit Christus als Weltenherrscher auf dem Giebel zwischen den Türmen ersetzen. Der geschlossene Platz zwischen fürsterzbischöflicher Residenz und Stift St. Peter bietet rechts und links der Fassade Durchgänge, die für Auftritte und Abgänge genützt werden können. Das Flachdach über diesen Dombögen eignet sich für Rufer und Bläser. Den Domtürmen gegenüber sticht der gotische Spitz der Franziskanerkirche empor, auf dem ebenso wie auf anderen Kirchtürmen der Altstadt sowie auf dem Mönchsberg und Kapuzinerberg jene Männer stehen, die Jedermann in den Tod rufen. Max Reinhardt überließ die Lichtregie der Sonne: Das Spiel begann um 17.00 oder 17.30 Uhr, wenn der Großteil des Platzes noch in gleißendem Licht liegt. Beim Auftritt des Todes wurden die Schatten lang, wenn der Teufel kam, war das Sonnenlicht verschwunden.
Die Zuschauertribüne ist heute für 2.544 Sitzplätze eingerichtet. Im Inneren des mobilen Spielpodests sind mehrere Personenversenkungen und Auftrittsklappen eingebaut. Bei Schlechtwetter wird das Große Festspielhaus als Ausweichquartier für den Jedermann verwendet.
Der Dom von Salzburg beherrscht mit seiner markanten, zweitürmigen Fassade und dem mächtigen Baukörper das Bild der Altstadt. Die barocken Plätze, die ihn umgeben, formen eine einzigartige Bühne, die von den Festspielen genutzt und von der Unesco als Weltkulturerbe gewürdigt wird.
Der heutige Dom hatte zwei mittelalterliche Vorgänger, von denen Reste in der Krypta zu sehen sind. Den ersten Dom weihte der hl. Virgil 774. Unter Erzbischof Hartwik (991-1023) wurde dieser Bau erweitert, unter Erzbischof Konrad I. (1106-1147) mit zwei Westtürmen versehen.
1167 brannte der im Kern immer noch karolinigische Dom nieder. Erzbischof Konrad III. (1177-1183) ließ daraufhin einen gewaltigen, romanischen Neubau errichten, der 110 m lang war, fünf Türme hatte und wohl den Domen in Mainz und Worms ähnlich sah. Nach einem Brand wurde 1598 auch er abgerissen.
Der Grundstein des bestehenden, barocken Domes wurde 1614 gelegt. 1628 wurde er durch Erzbischof Paris Lodron geweiht. Etwa vierzig Jahre später waren die Türme und die umgebenden Plätze vollendet.
Der barocke Bau beeindruckt durch seine klaren Formen, den einheitlichen Dekor und die leuchtende Fassade aus heimischem Marmor. Sein Architekt, Santino Solari, stammte aus Italien. Er schuf den bedeutendsten Kirchenbau jener Zeit nördlich der Alpen, der die Architektur in ganz Österreich und Süddeutschland beeinflusste.

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