Unter Tieren

Unter Tieren
Drama
Elfriede Jelinek (1946)
Uraufführung

„Ich beschreibe den Weg hier, aber ich sage nicht, wohin er führt.“

Die Wege, die das Geld zieht, sind unergründlich. Für manche führen sie stetig nach oben; für andere enden sie in einer Sackgasse oder in der Prekarität. Alternative Routen scheint es nicht zu geben. Geld regiert die Welt – und uns und unser Leben. Deshalb verfolgt Elfriede Jelinek als Chronistin und Kassandra unbeirrt seine Spur, oft sogar ein paar entscheidende Schritte voraus.

Jelineks neues Stück Unter Tieren wirft ein weites Netz und zielt zugleich auf die verborgenen Tiefen unserer verlogenen und ideologisch ausgehöhlten Gesellschaft. Nichts bleibt verschont – von der Bibel bis zum Ex-Milliardär René Benko. Das Stück behandelt unstillbare Gier, geschwätzige Politiker und Konzernbosse, Pseudo-Systemkritik sowie Begriffe wie soziale Gerechtigkeit oder Chancengleichheit, die heute wie leere Worthülsen klingen. Es geht um Käuflichkeit, skrupellose Korruption und natürlich eine Rüstungsindustrie, die unerschütterlich bleibt, und Kriege, die Leben und Geld verschlingen.

Wir leben in einer dysfunktionalen, aber erstaunlich widerstandsfähigen Wirtschafts- und Finanzwelt – die zunehmend zugrunde geht. Vielleicht erzählt Jelinek deshalb die unendliche Geschichte des Mammons aus der Perspektive von Tieren. Mit wachsendem Unverständnis und zunehmendem Sarkasmus quaken, muhen, gackern und bellen Bären, Kühe, Schweine, Tauben, das Lamm Gottes und der „Für und Widder“ durch das Stück. Sie berichten von „Notaren, die nichts bemerken, Prüfern, die nichts prüfen, Anwälten, die nur Ärger machen, Anleihen, die keinen Millimeter weichen, und Krediten, deren Zinsen längst jedes Interesse verloren haben“. Unter Tieren ist ein Stück darüber, wie wir hartnäckig an unserem selbstverschuldeten Elend arbeiten und wider besseres Wissen kopfüber in die Apokalypse des Kapitalismus rasen. Eines ist klar: Die Welt ist aus den Fugen, und die Finanzmärkte werden uns nicht retten.

Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, die 2026 ihren 80. Geburtstag feiert, zeigt mit diesem Stück erneut, dass sie die bedeutendste deutschsprachige Dramatikerin unserer Zeit ist. Ihr künstlerischer und politischer Radikalismus hat die Theaterlandschaft dauerhaft verändert. Nur wenige Regisseure arbeiten so kontinuierlich und erfolgreich mit ihr zusammen wie Nicolas Stemann – daher ist es folgerichtig, dass er die Uraufführung von Unter Tieren inszeniert.

Thomas Jonigk

Programm und Besetzung

Besetzung

Mavie Hörbiger
Caroline Peters
Sebastian Rudolph
Thiemo Strutzenberger
Barbara Petritsch
Azaria Dowuona-Hammond
und andere

Kreativteam

Nicolas Stemann: Regie
Katrin Nottrodt: Bühnenbild
Marysol del Castillo: Kostüme
Thomas Kürstner, Sebastian Vogel: Musik
Bernd Purkrabek: Licht
Benjamin von Blomberg, Sarah Lorenz: Dramaturgie
Claudia Lehmann, Konrad Hempel: Live-Video